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Wald im Alltag 3Armut, Auswanderung

Ignatia von Moos erhält Besuch von der jungen Sachslerin Theres Götschi, die demnächst auswandern will.

Theres: Ist es erlaubt?

Isch erlaibt?

Ignatia: Jetzt schau mal da, die Götschi Theres!

Jetz lueg ai da! S’Getschi Theres!

Theres: Frau Regierungsrätin!

Frai Regiärigsrätenä!

Ignatia: Jetzt nicht mehr! Der Joseph ist schon seit zwei Jahren nicht mehr in der Regierung. Er hat doch hoffentlich nichts angestellt, dass die zukünftige Frau Landjäger höchst persönlich vorbeikommt.

Komm herein, setz dich!

Nimmä! De Joseph isch sit zwei Jahr nimmä i de Regierig. Är hed doch hoffentlich nyd aagstellt, dass diä zuäkymftigi Frai Landjäger hechscht perseenlich verby chund.

Chum sitz zuächä!

Theres: Danke

Dankä.

Ignatia: Möchtest Du einen Kaffee?

Nimmsch äs Kafe ?

Theres: Lieber einen sauren Most.

Liäber ä suirä Moscht.

Ignatia: Und? Was verschafft mir die Ehre?

Und? Was verschafft i miär diä Ehr?

Theres: Adieu sagen!

Ade sägä!

Ignatia: Verdient Dein Mann schon so viel, dass Du Ferien machen kannst?

Verdiäned etz di Ma scho ä sevu, dass dui i Fery chasch?

Theres: Nichts dergleichen.

Nyyd ä serigs.

Ignatia: Prost!

Proscht!

Theres: Die Schweiz hat ein Problem. Wir haben zu viel Gesindel. Allein in Sachseln über zweihundert, die nicht ohne Almosen überleben können.

D Schwyz hed es Problem. Miär hend vil z vil derä Gsindel. Äläi z Sachslä uber zweihundert, wo ohni Almosä nid chenntid uberläbä.

Ignatia: Der Gemeinderat versucht schon seit Jahr und Tag den Gassenbettel abzustellen, und deren Kinder zu guten Menschen zu erziehen.

De Gmeindrat probiert scho sit Jahr und Tag diä Gassebättlery abzstellä, und denä ihri Gofä zu guätä Mänschä z erziäh.

Theres: Ist es möglich, sie zu guten Menschen zu erziehen, wenn sie nichts Anderes gelernt haben als herumzulungern und auf der faulen Haut zu liegen.

Chasch de diä zu guätä Mänschä erziäh, wenns nyyd anders glehrt hend als umälungerä und de Tag uis uf dä fuilä Huit zhockä.

Ignatia: Es gibt jetzt aber auch andere! Ausserdem verteilt die Gemeinde Milch und Brot, Und bei uns bekommen sie das «Milchmäss» für sechzehn statt für achtzehn Rappen.

Äs git de ja aber ai anderi! Usser däm verteilt d Gmeind Milch und Brot. Und bi ys chemits s Milchmäs fyr sächzäche statt fyr achzächä Rappä uber.

Theres: Von meinem zukünftigen Mann, dem Spichtig Sepp, weiss ich nur zu gut, was es heisst, als Landjäger jeden Morgen zwischen Frühmesse und «Bettzeitläuten» durch die ganze Gemeinde zu gehen und alle Bettler zusammenzutreiben. Verjagt werden sie über die Grenze, von Kanton zu Kanton. Und dann ärgert man sich darüber, dass sie nirgends zu Hause sind, aber niemand gibt ihnen ein Dach über dem Kopf.

Vom mym kynftigä Maa, em Spichtig Sepp, weiss ich mume zguät, was äs heisst, als Landjeger jedä Morge zwischä Friähmäss und Bettzytlyte diä ganz Gmeind miässä abschuänä und alli Bättler und Landstrycher zämätrybe. Verjagt wärdits. Uber d Gränzä, vo Kanton zu Kanton. Und de regt me sich drubert uif, dass sie niänä däheimä sind, aber niämer gid ne es Dach uberäm Chopf

Ignatia: Der Gemeinderat macht, was er kann. Früher mussten die Verwandten für die Armengenössigen sorgen, heute muss es die Gemeinde tun.

De Gmeindrat macht, was er cha. Friecher hend ja diä Verwandtä diä Armegnessigä miässä underhaltä, hyt muäss das Gmeind tuä.

Theres: Ja, weil die Verwandten sonst selbst an den Bettelstab kommen.

Ja, wil suscht diä Verwandtä sälber a Bättelstab chemdit.

Ignatia: Es soll ein neues Armenhaus und ein Spital In Sarnen geben.

D Sarne unä sells es nyws Armähuis und ä Spitel gä.

Theres: Spital ist gut! Ein Gefängnis sollten sie bauen!

Spitel isch guät! Es Chefi settiz buiä!

Ignatia: Man sagt, das haben sie auch vor!

Ja, das heigits schyns ai vor.

Theres: Weisst Du, wie oft der Sepp so ein verdächtiges Subjekt nach Sarnen runterbringt. Und dass der dann zwei Tage später schon wieder die Gegend unsicher macht, weil sie in Sarnen auf dem Posten zu wenig Platz haben.

Weisch wiä mängisch bringt mi Sepp es sones verdächtigs Subiäkt uf Sarne abbä, dass äs de zwe Täg speter d Gäged scho wider usicher macht, wills z Sarne ufem Poschtä z wenig Platz heigid.

Ignatia: Es sind weiss Gott schwierige Zeiten. Auch wir müssen sehen, dass wir durchkommen.

Sind weiss Gott ai schwirigi Zytä. Ai miär miänd luägä, dass miär dure chemid.

Theres: Zwei Franken siebzig!

Zwe Frankä siebezg!

Ignatia: Was zwei Franken siebzig?

Was zwe Frankä sibezg?

Theres: Zwei Franken siebzig verdient Sepp in der Woche! Sein Vorgänger, der von Flüe Karl, dem haben sie wenigstens noch die Schuhe bezahlt. Und trotzdem ist er verlumpt. Das solltest Du doch wissen, oder? Seine Gläubiger wollten sogar das Wenige, das er noch hatte, versteigern lassen. Aber der Kirchenrat hat es dann verhindert, weil es eh nichts mehr Wert war. Aber jetzt treibt der Karl keine Leute mehr zusammen, weil er selbst getrieben wird. Aber ich kann Dir eines sagen. Nicht mit uns! Uns beiden passiert so etwas nicht!

Zwe Frankä sibezg verdiänt dr Sepp i dr Wuchä! Sy Vorgänger dä vo Flyä Kari, - däm hends wenigschtens nu d Schuäh vergiäted. Und trotzdäm isch är z Hudlä gangä. Das settsch dui eigentlich nu wissä, oder? Sini Gläibiger hend sogar nu wellä, dass das Bitzili, wo ner nu gha hed, versteigäret wird. Aber dä Chilerat heds de underbundä, wills ja nyd me wärt gsi isch. Aber etz trybt dä Kari keini Lyyt me zämä, wil är sälber trybä wird. Aber ich cha diär eis säge. Nid mit ys! Ys beidne passiärt so eppis nid!

Ignatia: Das wünscht man auch niemandem. Willst Du noch?

Das wynscht mer ai niämerem. Wotsch nu?

Theres: Ein Schlückchen kann nicht schaden.

Wir haben jetzt dafür gesorgt, dass uns die Gemeinde hundert Franken zahlen muss! Und zwar auf einen Schlag!

Äs Schlyckli cha nid schadä.

Miär hend etzt defyr gsorged, dass ys Gmeind muäss hundert Frankä zahle! Und zwar uf ei Chlapf!

Ignatia: So ein Blödsinn!

Du bisch e dummi Schnorri!

Theres: Südamerika! Brasilien! Und die Gemeinde zahlt die Überfahrt. Und der Pfarrer hat dafür gesorgt, dass wir kurz vor der Abreise noch heiraten dürfen. Aber wir sind nicht die Einzigen! Die uneheliche Tochter vom Rohner Ludi, die Strähler Theres, und noch ein paar andere. Die Gemeinde hat einen Vertrag mit einem Agenten abgeschlossen, der für Ruffli arbeitet, Du weisst schon, die Reiseagentur von Sisseln. Anstatt die Armengenössigen aus ihren Löchern zu treiben, fahre ich jetzt mit Sepp in eine andere und bessere Welt!

Sydamerika. Brasiliä! Und d Gmeind zahlt d Uberfahrt. Und dr Pfarrer hed drfyr gsorged, dass miär grad nu vor der Abreis hyratä derfid. Aber miär sind de nid diä einzigä! Im Rohner Ludi sy unehelichi Tochter, d Strähler Theres, und nu es paar ander. D Gmeind hed ä Vertrag mit somenä Agänt abgschlossä, wo fyr ä Ruffli, weisch diä Reiseagentuir vo Sisslä, schaffed. Anstatt diä Armegnessigä am Morge us de Lecher z trybe, fahr ich etz zämä mit em Sepp in en anderi und besseri Wält!

Ignatia: Gratuliere!

Gratuliärä!

Theres: Wenn man in der Heimat keine Möglichkeit mehr sieht, eine Familie zu ernähren, weil es hier immer mehr Menschen gibt, aber der Wald und die Alpen sich nicht ausdehnen lassen, dann hat man keine andere Wahl, als sich eine neue Heimat zu suchen. Die Reisekosten müssen wir zurückzahlen, aber erst, wenn wir drüben die erste Million gemacht haben.

Also, was schulde ich Dir für den Käse? Zweiunddreissig Rappen, wenn ich richtig gerechnet habe. Ich möchte dann auf keinen Fall, dass es heisst, die Götschi Theres sei nach Südamerika gegangen und habe daheim nicht einmal ihre Schulden bezahlt.

Wemmer i de Heimet kei Meglichkeit me gsehd, ä Famili durezbringä, will miär hiänigä immer meh und meh Lyyt hend, dr Wald und d Alpä sich aber nid land la uisdehnä, de blybt eim doch nyd anders me ubrig, als en nywi Heimet z suächä. D Reisecheschtä myämer erscht zruggzahlä, wemmer dänä de diä erscht Million gmacht hend.

Also, was bini diär nu schuldig fyrä Chäs? Zweädryssg Rappä, wenn ich s richtig zämäzehlt ha. Wott de bimeich nid, dass es heisst, s’Getschi Theres sygi ab uf Sydamerika und het derheimä nid emal ihri Schuldä zahlt.

Ignatia: Dreissig ist gut!

Dryssg isch ai guät!

Theres: Hab Dank! Grüss den Sepp, und wir werden uns wahrscheinlich erst drüben im nächsten Leben wiedersehen. «Obrigada pela cidra», und vergesst mich nicht!

Dank heigisch! Seisch em Sepp e scheenä Gruäss, und miär gsächid ys wahrschindlich erscht däne im nächschtä Läbe wider.

«Obrigada pela cidra”, und vergässid mich de nid!

Ballenberg
Freilichtmuseum der Schweiz

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CH-3858 Hofstetten bei Brienz

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10. April bis 2. November 2025
Täglich von 10.00 bis 17.00 Uhr

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